Neue Erkenntnisse deuten darauf hin, dass es keine klinischen Beweise dafür gibt, dass für die Einzel- oder Mehrfachversorgung bei der Kavitätenrestauration stark belasteter Seitenzähne verwendete hochviskose Glasionomere gemessen an ihrer Fehlerrate gegenüber dem aktuellen Behandlungsstandard Silberamalgam schlechtere Ergebnisse liefern.
Den Erkenntnissen zufolge gibt es auch keine klinischen Belege für die lange gehegte Meinung, dass bei der Kariesprävention Glasionomere bei der Fissurenversiegelung den Kunststoffkompositen unterlegen sind.
Der aktuelle Konsens, dass Glasionomere gegenüber Silberamalgam klinisch minderwertiger sind, wenn sie bei der Restaurationen von Seitenzähnen eingesetzt werden, gilt weithin als bestätigt. Über Jahrzehnte haben sich Fachleute gegen den Einsatz von Glasionomeren anstelle von Silberamalgam oder Komposit-Materialien für die Restauration belasteter Seitenzähne ausgesprochen, wobei sie sich auf klinische Bewei se stützen, die einer genaueren wissenschaftlichen Prüfung nicht standhalten.
In dem Bemühen, die aktuellen klinischen Nachweise in Bezug auf die Eigenschaften von Glasionomeren in der Zahnrestauration und Fissurenversiegelung zu bewerten, hat die SYSTEM-Initiative der Fakultät der Gesundheitswissenschaften der Universität Witwatersrand in Johannesburg systematische Untersuchungen randomisierter kontrollierter Studien sowie eine meta-epidemiologische Studie durchgeführt.
Die systematische Untersuchung der aktuellen Zahnliteratur beinhaltete auch eine Literaturrecherche in 17 globalen und regionalen Datenbeständen sowie in Datenbänken von Open-Access-Journalen und "grauer" Literatur. Neben den globalen Datenbanken PubMed/Medline und Cochrane Library wurden zusätzlich noch in regionale englischsprachige Datenbanken mit der dentalwissenschaftlichen Literatur Afrikas, Europas, Indiens und Nordamerikas sowie regionale nicht-englischsprachige Datenbanken mit der dentalwissenschaftlichen Literatur Chinas und Lateinamerikas recherchiert.
Insgesamt wurden 38 klinische Kontrolstudien als Belege angeführt, die die wissenschaftlichen Untersuchungen von über 10.000 durchgeführten Zahnrestaurationen beinhalten. Das Ergebnis zeigt, dass die neue Generation hochviskoser Glasionomere im Vergleich zu Amalgam nicht als minderwertig eingestuft werden kann, da sich im Zeitraum von ein bis sechs Jahren nach der Versorgung keine allgemeingültigen Unterschiede bezüglich der klinischen Ausfallrate von stark belasteten hochviskosen Glasionomeren im Vergleich zu Amalgam herausgestellt haben.
In einer systematischen Prüfung der aktuellen Zahnliteratur über Fissurenversiegelungen wurden 16 Studien als Beweisstücke akzeptiert, darunter die Untersuchung von mehr als 7000 durchgeführten Fissurenversiegelungen. Das Ergebnis unterstreicht, dass Glasionomere den kunststoffbasierten Versiegelungen nicht nachstehen, da sich zwischen Z ähnen, die entweder mit Glasionomeren oder mit Kunststoff versiegelt wurden, bei der Kariesprävention nach einer Nachbeobachtungszeit von sechs Monaten bis sieben Jahren kein Unterschied jenseits der statistischen Zufallsquote ergab.
Im Rahmen der systematischen Prüfung wurden alle klinischen Studien ausgewertet und danach akzeptiert oder verworfen. Dazu wurden Kriterien über die Aussagekraft der Studien verwendet. Alle klinischen Nachweise wurden auf Fehler in der Systematik untersucht und einige Studien wurden aufgrund des hohen Verzerrungspotenzials und der geringen Genauigkeit der Ergebnisse ausgeschlossen.
Die Ergebnisse der meta-epidemiologischen Studie der SYSTEM-Initiative zeigen, dass Aussagen zur Minderwertigkeit von Glasionomeren im Vergleich zu Amalgam und anderen Materialien auf falschen statistischen Vergleichsmethoden beruhen. Derartige Methoden bedienen sich des noch immer üblichen nicht-adjustierten indirekten Vergleichs der Restauration- Fehlerrate aus unkontrollierten klinischen Langzeitstudien.
Vereinfacht gesagt: Das traditionelle Argument gegen die Verwendung von Glasionomeren in der modernen Zahnmedizin basiert auf der irrtümlichen Annahme, dass Ergebnisse aus verschiedenen Studien mit unterschiedlichen klinischen Umständen und Patientengruppen direkt miteinander verglichen werden können. Stattdessen sollten vielmehr Aussagen zu den Vorteilen klinischer Interventionen auf dem direkten Vergleich der Ergebnisse konkurrierender Behandlungsoptionen beruhen, die aus randomisierten kontrollierten Studien stammen.
Des Weiteren konnte durch das Gesamtergebnis nicht belegt werden, dass Glasionomerzemente dem momentanem Goldstandard (Komposit/Resin) bei der Fissurenversiegelung zur Kariesprävention unterlegen sind. Da die ursprüngliche systematische Untersuchung im Jahre 2008 durchgeführt worden was, führte man im Jahre 2013 eine Folgeuntersuchung durch und kam zu demselben Schluss, dass die Schlussfolgerung der Untersuchung weiterhin gültig ist.
Die vollständigen veröffentlichten Berichte mit den neuen Erkenntnissen sind online abrufbar:
[1] Mickenautsch S, Yengopal V. Failure rate of high-viscosity GIC based ART compared to that of conventional amalgam restorations - evidence from a systematic review update. S Afr Dent J 2012; 67: 329-31.
[2] Mickenautsch S, Yengopal V. Direct contra naïve-indirect comparison of clinical failure rates between high-viscosity GIC and conventional amalgam restorations. An empirical study. PLOS One 2013; 8: e78397.
[3] Mickenautsch S, Yengopal V. Caries-preventive effect of glass ionomer and resin-based fissure sealants on permanent teeth: An update of systematic review evidence. BMC Res Notes 2011; 4: 22 .
[4] Mickenautsch S, Yengopal V. The modified Ottawa method to establish the update need of a systematic review: Glass-ionomer versus resin sealants for caries prevention. J Appl Oral Sci 2013; 21: 482-9.
Witwatersrand Universität
Steffen Dr Mickenautsch
York Rd 7
2193 Parktown/Johannesburg
Südafrika
E-Mail: neem@global.co.za
Homepage: http://www.system-initiative.info/
Telefon: 0027823363214
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