Die Leipziger Buchmesse hat sich zur erfolgreichsten Publikumsmesse rund um das gesprochene Wort entwickelt. Lesungen, die in der Regel von einem Sprecher getragen werden, und Hörspiele, bei denen die Rollen von unterschiedlichen Schauspielern gesprochen werden, haben in Leipzig ihren berechtigten Raum. Und doch hat es die akustische Literatur hierzulande nicht leicht. "Das Hörbuch braucht mehr Käufer, muss also neue Interessentengruppen erreichen", sagt Günter Rubik. Er ist Vorstand der Hoerspiel-Gemeinschaft e.V. - ein gemeinnütziger Verein, der sich für Hörliteratur engagiert (www.hoerspiel-gemeinschaft.de).
Während es dem Markt für Lesungen noch vergleichsweise gut gehe, sei das Hörspiel zunehmend ein Sorgenkind. "Hohen Produktionskosten stehen beim Hörspiel geringe Absatzzahlen gegenüber - die großen bekannten Serien einmal ausgeklammert." Ohne neue Interessenten laufe man Gefahr, dass Verlage und Prod uzenten nur noch den Weg des geringsten Widerstands gehen. Sprich: Hörfassungen einer bekannten Vorlage, vor allem erfolgreicher Romane. "Der Vielfalt des Angebots kommt das nicht zugute. Nur bedeutet eine bekannte Vorlage nun einmal auch weniger Risiko."
So zeigt auch eine aktuelle Umfrage der Hoerspiel-Gemeinschaft e.V. unter 360 Hörbuch-Hörern und "Nichthörern": Nichthörer sind Lesungen und Hörspielen erstaunlich offen, wenn es eine bekannte Vorlage gibt. Mehr als 40 Prozent der befragten bisherigen Nichthörer würden sich einem Hörbuch eher öffnen, wenn es eine Romanvorlage gibt. Weitere 20 Prozent wären offen für Hörfassungen, die eine visuelle Vorlage haben - Kinofilm, Fernsehserie etc. Der umgekehrte Fall, dass Geschichten originär für Hörmedien geschrieben und konzipiert werden, scheint für bisherige Nichthörer weniger attraktiv. Komplett neue Stoffe würden noch am ehesten interessieren, wenn die Realität die Vorlage dafür gäbe, beispielsweise ein Kriminalfall, der der Öffentlichkeit bekannt ist. Bei den Umfrageteilnehmern, die bereits Hörbuch-Fans sind, ist der Trend noch deutlicher ausgeprägt. Hier sind es sieben von zehn Befragten, die eine Romanvorlage favorisieren; darüber hinaus sind auch hier visuelle Vorlagen gefragt.
"Die Umfrage zeigt aber auch, wo Chancen abseits der üblichen Vermarktungskette liegen", sagt René Wagner, ebenfalls Vorstand des Vereins. "Wenn schon Vorlage, dann zumindest eine ungekürzte Hörfassung", sagt er. Bei Lesungen sei das seit längerem verbreitet, beim Hörspiel hingegen noch ein junger Trend. Ungekürzt - was heißt das konkret? "Bei der Lesung ist die Antwort einfach. Es bedeutet, Romane eins zu eins einzusprechen. Bei Hörspielen heißt ungekürzt, dass Vorlagen zu Hörspieltexten umgeschrieben werden, ohne Inhalte auszulassen, wobei aber der eigentliche Text durchaus gekürzt wird." Denn es würden Soundeffekte eingesetzt, um beispielsweise beschreibende Passagen im Originaltext zu ersetzen. "Es regnete, und viele Autos fuhren vorbei", nennt Wagner als Beispiel, werde dann eben nicht ausgesprochen. "Man hört stattdessen den Regen plätschern und die Autos brummen. Inhaltlich wird aber wie gesagt nicht gekürzt." Immerhin 24 Prozent der bisherigen Nichthörer können sich vorstellen, einmal eine ungekürzte Lesung zu hören, und 19 Prozent sehen einen Reiz im ungekürzten Hörspiel. Zum Vergleich: Bei den befragten Hörspielfans liegt die Zustimmung bei jeweils rund 40 Prozent.
Auch lang laufende Serien wären ein Ansatz. Von den befragten Nichthörern gibt immerhin jeder dritte an, einer Hörspielserie eine Chance zu geben, sofern sie eine gewisse Länge habe. "Mindestens fünf Folgen, besser zehn - das wäre der Wunsch. Die Realität sieht jedoch anders aus. Viele Serien werden unbeendet eingestellt, bevor sie auch nur in die Nähe der zehnten Folge kommen", so Wagner. Langer Atem könne sich hier also auszahlen - zumal auch vie le Fans akustischer Literatur erst einmal abwarteten, ob eine gewisse Länge erreicht werde, bevor sie einer Serie eine Chance geben. Auch sie wünschen sich Mehrheitlich fünf bis zehn Folgen.
Natürlich ist auch der Preis ein Ansatz. Kampfpreise zum Beispiel, wie sie in großen Boxen mit mehr als 20 CDs (oder Downloads) bei aggressivem Gesamtpreis zustande kommen. Für 32 Prozent der Nichthörer wäre dies ein Anreiz, sich Hörspielen oder Lesungen zu nähern - sofern der Preis pro CD bei etwa 1 Euro liegt. Handelt es sich nicht um eine Box, sondern um ein Einzelhörbuch, wären 4 Euro ein Einstiegspreis, den sich Nichthörer wünschen. Zum Vergleich: Die Befragten, die bereits Fans von Lesungen und Hörspielen sind, würden hier 11 bis 12 Euro investieren.
Oliver Wenzlaff, Beirat der Hoerspiel-Gemeinschaft e.V., plädiert für Grundlagenarbeit. Es gebe ein generelles Aufmerksamkeitsproblem. "Lesungen, vor allem aber Hörspiele haben entweder gar kein Image oder ein falsches. Die einen seien etwas für Lesefaule, das Hörspiel dagegen nur etwas für Kinder oder Nerds und Freaks. Dabei gibt es hervorragende Hörspiele für jeden Geschmack und jede Altersgruppe", so Wenzlaff. Eine breit angelegte Imagekampagne über alle Kanäle (Offline, Online und TV) könnte hier helfen - gemeint ist eine Aktion, die nicht einzelne Hörspiele oder Lesungen bewirbt, sondern das Hörbuch im Allgemeinen. Hier sagen immerhin 33 Prozent der befragten Nichthörer, dass sie sich angesprochen fühlen würden; 19 Prozent haben keine Meinung. "Damit ist eine knappe Mehrheit neugierig oder zumindest noch unentschlossen", sagt Wenzlaff. Allerdings weiß er auch: "Eine solche Kampagne wäre nur als Gemeinschaftsprojekt vieler Produzenten und Verlage möglich. In der Vergangenheit ist das immer wieder mal angedacht worden. Aber auch immer wieder gescheitert."
Rund 360 Teilnehmer hatte die Umfrage: gut 100 Nichthörer, 100 Fans von Lesungen und 160 Hörsp ielfans. Erhebungszeitraum war Februar 2015. Die Umfrage ist online durchgeführt worden.
Hoerspiel-Gemeinschaft e.V.
René Wagner
Sandkaul 1
41812 Erkelenz
Deutschland
E-Mail: kontakt@hoerspiel-gemeinschaft.de
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Telefon: 02164 / 702500
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